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Foto: Ben Böhm
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Moby Dick

Veranstaltungstipp

Wie populär und präsent Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ in unserem täglichen Leben ist, wissen viele Jüngere vermutlich nicht mal. Die holen sich bei „Starbucks“ ihren Latte to go, ohne zu ahnen, dass die Kaffeekette ihren Namen dem Ersten Steuermann der Pequod verdankt. Jenem Walfangschiff also, mit dem der legendäre Captain Ahab Jagd auf seine Nemesis macht, den weißen Pottwal, der ihm ein Bein abgerissen hat und dafür büßen soll. Melvilles Inspiration zu diesem epochalen Buch voller Reflexionen über sein 19. Jahrhundert war neben der Bibel unter anderem eine Boulevardmeldung über einen Walangriff auf ein Schiff, den einige der havarierten Matrosen nur durch Kannibalismus überlebten. Soviel zur Allianz von Pop und Tiefe. Die macht auch die „Moby Dick“-Inszenierung an der Vaganten Bühne aus, die Lars Georg Vogel in eigener Fassung und in schlanken 90 Minuten besorgt. Sein Abend ist eben nicht nur die Reader’s-Digest-Fassung eines Weltbestsellers. Sondern bei aller Verdichtung ein intensives Stück Erzähltheater. Drei Schauspieler – Heike Falkenberg, Venessa Rottenburg und Urs Fabian Winiger – teilen sich die Rollen der Rachegeschichte. Wobei Winiger durchweg den Part von Wutkapitän Ahab innehat, mit dem es bekanntlich kein gutes Ende nimmt. Weswegen die mythisch aufgeladene Jagdfieber-Story auch von einem Matrosen erzählt werden muss und (auch bei den Vaganten) mit dem berühmten ersten Satz beginnt „Nennt mich Ismael“. Im Bühnenbild von Vogel – das mit rostigen Metallsegeln und gespannten roten Schnüren auf seine Art von Seefahrt und Untergang kündet – stürzt sich das Ensemble von Beginn an mit hoher sprachlicher Konzentration in die Melville-Wogen. Auch ohne Angst vor ein paar Kalauer-Untiefen. Insgesamt aber steuert der Abend von Lars Georg Vogel konsequent und straff aufs dramatische Finale zu, den großen Kampf Mann gegen Wal, Schiff gegen Schlund, Ahab gegen Moby. Und wie packend der geschildert wird, das hat die Wucht einer Harpune. Große Popliteratur. Tolles Theater. Patrick Wildermann