Einfach mehr Kultur erleben. Mit dem Kulturservice der TheaterGemeinde Berlin

Kundenservice Mo bis Fr 10–17 Uhr

030 21 29 63 00

TRISTANS KLAGE, WDR/SWF 1979, Regie: K. Lindemann, Buch: H. W. Henze, Foto: SWR
TRISTANS KLAGE, WDR/SWF 1979, Regie: K. Lindemann, Buch: H. W. Henze, Foto: SWR

Experimentelles Fernsehen 1960-79

Ausstellungstipp

"Experimentelles Fernsehen der 1960er und 70er Jahre"

Beckett, Zadek, Dorst, Kagel, Henze und viele andere Komponisten, Autoren, Theaterkünstler trugen mit eigenen Produktionen zum Experimentellen Fernsehen der 1960er und 70er Jahre bei. Darum ist die informative Sonderausstellung im Museum für Film und Fernsehen auch für Leserinnen und Leser des „Spielplans“ außerordentlich sehenswert. Präsentiert werden an Monitoren nicht nur die berühmten Filme Samuel Becketts in voller Länge, sondern auch Arbeiten der anderen Autoren, dazu Werkstattgespräche und Probendokumentationen, sowie in Vitrinen und an den Wänden Fotos, Originaldrehbücher, Skripte, Briefe und viele andere Dokumente, die die experimentellen Techniken, die das Fernsehen ihnen zur Verfügung stellte, anschaulich machen.

Dass der Mehrwert des Mediums Fernsehen vor allem in der Verkünstlichung durch Technik bestand, macht das Beispiel Zadek besonders deutlich. Der Regisseur filmte seine Erfolgsinszenierungen nicht einfach ab, sondern verfremdete sie. Sean O’Caseys Anti-Kriegs-Spektakel „Der Pott“ (1971) ist in eine absurde Welt aus grellen Farben und surrealistischen Bildern getaucht, in der die poetische Metapher sich verselbständigt und den Agitprop-Charakter des Stückes auf eine höhere künstlerische Ebene hebt. Die WDR-interne Auswertung stellte fest, dass sich 17% des Fernsehpublikums die Erstausstrahlung ansahen. Davon lehnten 70% den Film ab. Bei „Rotmord“ (1969), einem Stück über die Niederschlagung der Münchner Räterepublik, collagierte Zadek Dokumentarisches, Pseudodokumentarisches, Theatralisches und Kabarettistisches und machte dadurch das Fragmentarische und Fiktive jeder Rekonstruktion vergangener Ereignisse deutlich. In einem Gespräch mit Tankred Dorst gibt er allerdings auch zu, dass sein Spieltrieb dabei „das Inhaltliche etwas platt gewalzt“ hätte. Im Falle Klaus Lindemanns führte der Versuch, Hans Werner Henzes „Tristan“ (1979) zu verfilmen, zum Bruch mit dem Komponisten. Lindemann entlarvte die Mythen als Kitsch, indem er berühmte Gemälde nachstellte und die Männerrollen dabei von Frauen und vice versa spielen ließ. Die Szene, in der ein ganzes Corps de ballet in Kostüm über die Gangway aus einem eben gelandeten Flugzeug flattert, gehört allerdings zu den unvergesslichen Parodien der mobilen Gesellschaft.

Der in Köln lebende argentinische Komponist Mauricio Kagel (1931-2008) bediente sich des Mediums Fernsehen besonders intensiv, um die visuelle Ebene der Musik bewusst zu machen. In „Match“ (1967) inszenierte er ein Cello-Duo als sportlichen Wettkampf, vermittelt durch einen Schiedsrichter am Schlagwerk. In „Kantrimusik“ (1976) bricht der Sturm aus Beethovens „Pastorale“ leibhaftig über die Musiker herein und Hühner flattern auf ihrem Kopf herum. In Kagels berühmtesten Film, „Ludwig van“, 1970 zum 200. Todestag des Komponisten entstanden, wird die Beethoven-Industrie entlarvt und der Komponist in einem ganz mit Noten tapezierten Zimmer gezeigt. Der taube Meister hatte, ach, ja nur Musikim Kopf. bke


Deutsche Kinemathek, Potsdamer Straße 2.
Bis 24. Juli. Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr.
Mit TG-Ausweis € 3,- (statt € 4,-)