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Scheitern als Chance

Ausstellungstipp

Liebermanns Gegner zeigen, dass die Expressionisten ein Faible für Kulissen hatten

Wie eng expressionistische Malerei und Theater mit einander verbunden waren, führt einem die Ausstellung Liebermanns Gegner im Max Liebermann Haus wieder einmal besonders anschaulich vor. Wenn man den Parterre-Saal betritt, fallen einem gleich rechts die beiden aufreizend gekleideten Variété-Tänzerinnen Georg Tapperts ins Auge. Sie drängen sich mit ihrer Kulissenwelt aus schreiendem Gelb, Rot, Blau und Grün förmlich auf. Großstadt und Nachtleben, Theater und Tingeltangel waren bei den jungen Expressionisten darum so beliebt, weil sie in ihnen ein reiches Motiv-Arsenal für gezielte Tabu-Brüche fanden. So konnten sie aus der Außenseiter-Perspektive gegen die auf Anstand und Sitte pochende Ästhetik und (Doppel-)Moral der wilhelminischen Gesellschaft Sturm laufen.  Zirkus und „Negeroperette“, Clowns und Seiltänzer oder schlichtweg Verhohnepiepelungen des bürgerlichen Konzertbetriebs (Tapperts „Mann am Flügel“, 1910/11) begegnen uns denn auch auf Schritt und Tritt in der Schau, die die sieben Ausstellungen der Neuen Secession zwischen 1910 und 1914 in ihren Werken nachstellt.

Dabei dürfte die Gruppe um Tappert und Max Pechstein die erste gewesen sein, die ihr Scheitern und damit ihr Außenseitertum erfolgreich als Werbemittel einsetzte. „Kunstausstellung Zurückgewiesener der Secession Berlin 1910“ schrie groß und sensationslüstern Pechsteins Plakat, mit dem die Gruppe für ihre erste Ausstellung warb. Tatsächlich hatte die Jury der Berliner Secession um den 63-jährigen Max Liebermann in diesem Jahr ungewöhnlich viele junge Maler abgewiesen und damit vom Kunstmarkt ausgeschlossen. Man tat sich kurzerhand zu einer „Neuen Secession“ zusammen und stellte die abqualifizierten Werke im Kunstsalon Maximilian Macht gegenüber der Gedächtnis-Kirche aus. Die Pose der Verlierer funktionierte. Die Ausstellung musste um zweieinhalb Monate verlängert werden. Auch dies ein Stück Theater.

Schaut man sich die über 80 Exponate aus über 50 europäischen Sammlungen weiter an, fällt rasch auf, dass die Expressionisten nicht nur ein Faible für Kulissen hatten, sondern ihren flächigen Naturdarstellungen gern auch etwas zweidimensional Kulissenhaftes verliehen. Besonders deutlich wird das bei Blättern und Leinwänden von Kandinsky, Alexander Kanoldt oder Erma Barrera-Bossis „Badenden“ (1911). Die Berge, Felsen, Sonne, die da aus dem Meer steigen, ja selbst das Meer selber und die Palmen am Strand wirken wie auf Pappe gemalt und aufgestellt. Dahinter spürt man aber nicht nur die Kulissenmalerei des Theaters, sondern auch die großen Farbflächen Gaugins, dessen Einfluss bei Pechsteins „Frauen am Waldrand“ (1911) mit Händen zu greifen ist.

Kein Wunder also, dass viele dieser Maler nach 1918 auch für die Bühne arbeiteten und das Erscheinungsbild des expressionistischen Theaters prägten. César Klein etwa, in der Ausstellung mit etlichen Werken vertreten, arbeitete mit Jürgen Fehling zusammen, entwarf für Robert Wiene Filmkulissen und schuf das Intarsienbild im Renaissance-Theater. Zu den großen Entdeckungen der sehenswerten Schau gehören aber die so genannten „Kreiselbilder“ Heinrich Richter-Berlins in Öl und als Holzschnitt, die ganze Landschaften in einen windhosenartigen Wirbel versetzen. bke

Liebermanns Gegner. Max Liebermann Haus, Pariser Platz 7, bis 3. Juli. Mi-Mo 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. € 6,-