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"Tanz auf dem Vulkan" - Ephraim Palais

Ausstellungstipp

Tanz auf dem Vulkan ist für Musik- und Theater-Fans ein Muss. Für mich war ein Zyklus 12 großformatiger Schauspielerporträts aus dem Ensemble Max Reinhardts die Entdeckung. Klaus Richter (1887-1947) hat sie 1928 geschaffen. Die führenden Theaterstars der 20er Jahre schauen magisch aus dem weißen Blatt heraus. In der Regel nur die Köpfe. Oft nur Teile davon.

Das zweitfaszinierendste Exponat hängt ebenfalls im vorletzten Saal („Ende der Republik“): Zwei wunderbare Fotos von 1929. Am 28. März organisierte der Schauspieler Heinrich George eine Gedächtnisfeier für den sieben Wochen zuvor verstorbenen Albert Steinrück im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Heinrich Mann sprach Gedenkworte, an die sich eine einmalige Aufführung des „Marquis von Keith“ in der legendären Jessner-Inszenierung anschloss. Tout Berlin erwies dem Verschiedenen in kleinen und kleinsten Rollen die Ehre: Werner Krauss spielte den Konsul und Carola Neher seinen Sohn, Max Hansen Raspe und Max Pallenberg Sommersberg, Elisabeth Bergner, Fritzi Massary und Käthe Dorsch die Dienstmädchen, Granach, Kortner und Paul Wegener die Metzgerknechte, Rudolf Forster, Kurt Gerron und Veit Harlan die Packträger, Trude Hesterberg und Tilly Wedekind die Bäckerweiber, Hans Albers, Ernst Deutsch und Curt Goetz die Kellner. Unter den Statisten befanden ich Roma Bahn, Marlene Dietrich, Asta Nielsen, Henny Porten, Agnes Straub, Heinrich Schnitzler, Matthias Wiemann... Die Vorstellung begann um 23 Uhr und dauerte bis in die Morgenstunden. Im Ephraim-Palais sind die Mitwirkenden auf zwei Erinnerungsfotos repräsentiert, die auf den Proben geschossen wurden. Es läuft einem kalt über den Rücken: Nicht nur, ob einer derartigen Ansammlung legendärer Namen, sondern auch, weil dort der „Jud Süss“-Star Werner Krauss neben Max Hansen sitzt, der Goebbels-Intendant George neben Fritz Kortner steht, der verjagte Jessner neben Nazi-Günstling Lothar Müthel und so weiter. Auch wenn man Nazi-Mitläufern nicht pauschal Mitschuld am Holocaust gibt, haben sie doch 1933ff. kräftig gebuckelt und ihre Nebenmänner und -frauen von 1929 wegintrigiert, um höher zu steigen.

Was das für eine Theaterkultur in den 20er Jahren in Berlin war, kann man im 1. Stock der Ausstellung an wunderbaren Exponaten schlaglichtartig erkunden. Da sind fünf Bühnenbildentwürfe von Emil Pirchan für Leopold Jessners berühmten „Schnell-Tell“ 1919 am Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zu sehen. Szenenfotos zeigen Heinrich George als Tollers „Hinkemann“ unter der Regie von Emil Lind. Zwei – mir zumindest – unbekannte Entwürfe vermitteln einen Eindruck, wie die kommunistischen Agitationsrevuen Gustav von Wangenheims und seiner „Truppe 1931“ aussahen. Ein Plakat erinnert an Max Reinhardts gigantomane Revuefassung von „Hoffmanns Erzählungen“ im Großen Schauspielhaus. Die eindrucksvolle Architektur des Hauses ist in dem bekannten Großmodell vor und nach dem Umbau durch Hans Poelzig zu studieren. Heute erhebt sich an seiner Stelle der Friedrichstadtpalast. Auch die Erste Komische Oper an der Weidendammer Brücke ist verschwunden. In ihr zeigte James Klein seine Revuen „1000 nackte Frauen“ und „Zieh dich aus“, deren Programme und Fotos keinen Zweifel am Gebotenen lassen. Boris Kehrmann

Tanz auf dem Vulkan. Ephraim-Palais, bis 31.1.2016. Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr. Eintritt mit TG-Ausweis € 4,- statt € 6,-; bis 18 Jahren und jeden 1. Mittwoch im Monat für alle frei