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Daphne-Preis 2013 an Sabin Tambrea

Sabin Tambrea, Ensemblemitglied des Berliner Ensembles, hat den DAPHNE-Preis 2013 der TheaterGemeinde Berlin für außergewöhnliche darstellerische Leistungen erhalten. Die Preisverleihung fand am 30. Mai 2014 im Berliner Ensemble statt, im Anschluss an die Aufführung "Kabale und Liebe" (Regie: Claus Peymann).

Sabin Tambrea wurde in Rumänien geboren. Er entstammt einer Musiker:innenfamilie und erhielt ab dem vierten Lebensjahr Geigenunterricht. Daneben studierte er Bratsche und Klavier sowie Dirigieren.

Sein professionelles Bühnendebüt gab Tambrea im Alter von sechs Jahren als Solist im Kinderchor des Theaters Hagen. Im Rahmen des Musikwettbewerbs „Jugend musiziert“ belegte er sechs erste Plätze und wurde daraufhin Mitglied des Landesjugendorchesters Nordrhein-Westfalens.

Im Alter von 18 Jahren beendete Tambrea seine Musikerkarriere zugunsten der Schauspielerei. 2003 war Tambrea Ensemblemitglied des Jugendtheaters Junge Bühne lutzhagen, wo er in zahlreichen Stücken in Erscheinung trat. 2006 gelang ihm im zweiten Versuch die Aufnahme an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Dort absolvierte Tambrea bis 2010 seine Schauspielausbildung.

Noch während seines Schauspielstudiums fand Tambrea Aufnahme als Theaterschauspieler am Berliner Ensemble, wo er 2008 mit weiteren Jungdarsteller:innen in Claus Peymanns Inszenierung von Frank Wedekinds Frühlings Erwachen als Melchior auf der Bühne stand. Weitere Auftritte folgten, u. a. als junger Krieger und Titelheld in Boris Jacobys Philotas (2010), als Jack the Ripper in Robert Wilsons Version von Lulu (2011) sowie in der Doppelrolle der Viola und des Sebastian in Katharina Thalbachs Inszenierung von Shakespeares Was ihr wollt (2012).

Parallel zur Arbeit im Theater begann Tambrea gegen Ende der 2000er-Jahre in Film- und Fernsehproduktionen in Erscheinung zu treten. Sein Kinodebüt erfolgte 2011 mit einer kleinen Rolle in Christian Schwochows Drama Die Unsichtbare. Anfang Juni desselben Jahres wurde Tambreas Verpflichtung als Ludwig II. in Marie Noelles und Peter Sehrs gleichnamiger Kinoproduktion bekannt, die Ende Dezember 2012 in den deutschen Kinos startete. Seine Darstellung brachte ihm den Bayerischen Filmpreis sowie eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis ein.

Daphne-Preisverleihung an Sabin Tambrea

Sabin Tambrea hat sich enorm entwickelt. 2008 holte Claus Peymann den 24-Jährigen als Mel­chior Gabor in Wedekinds „Frühlings Erwachen“ von der Ernst-Busch-Schule direkt ans Berliner Ensemble. Nun spielt Tambrea Ferdinand von Walter in Peymanns „Kabale und Liebe“. Hier ist er das genaue Gegenteil des Stürmers und Drän­gers, den man in Schillers Jugenddrama zu sehen gewohnt ist: einer, der eher flüstert als schreit; eher langsam als prestissimo spricht; einer, der seine wenigen Worte präzis zielt, statt zu spru­deln; dessen Hass den Gegner eiskalt trifft, statt ihn mit glühender Lava zu überschütten.

Der Staat, in dem Tambreas Ferdinand lebt, ist offenbar nicht mehr zu retten. Dieser junge Mann ist politikmüde. Tambrea macht aus Schillers „bürgerlichem Trauerspiel“ eine Tragödie der Liebe. Sein Ferdinand sucht Menschen in einer Welt korrupter Witzfiguren. Wie ein Großinquisitor versucht er in Luise einzudringen: Liebt sie ihn oder ist sie genauso wie die anderen? Was geht hinter ihrer Stirn vor? Nur manchmal bricht sein verzweifeltes Liebesverlangen kurz aus ihm her­aus. Dann klammert er sich wie ein Ertrinkender an Antonia Bill, wirbelt sie wie eine Puppe herum und lässt sie wie eine Puppe wieder fallen.

Ferdinand hat das Vertrauen verloren. Auch in die Liebe. Er hat Grund dazu. Bei der Lady Milford wird er selber schwach. Ihre Münder saugen sich in einem langen Kuss aneinander. Dann reißt er sich los. Er will sich nicht gemein machen mit „denen“. Warum sollte es bei Luise anders sein? Tambrea zeichnet mit sparsamster Ökonomie und größter Zurückhaltung die faszinierende Studie einer skeptischen Generation. Sein Ferdinand ist ein Gleichnis, ein Mensch, der sich in kaltem Hass vor der Gesellschaft verschließt.

Die TheaterGemeinde Berlin aber hat dem deutsch-rumänischen Multitalent, wie Trau­te Grandke als Vorsitzende in ihrer Laudatio hervorhob, nicht für eine Einzelleistung, sondern für seine bemerkenswerten, nuancierten Rollengestaltungen und als herausragenden Protagonisten der jungen Darsteller:innengeneration mit der „Daphne 2013“ ausgezeichnet. Es war die zweite Daphne, die an ein Mitglied des Berliner Ensembles ging und damit auch eine Anerken­nung für den Talente-Entdecker, -Entwickler und -Förderer Peymann, der Tambrea in seiner Würdigung „unseren Lieblingsschauspieler“ nannte. Jack the Ripper in Wilsons „Lulu“, verriet der Intendant, sei seine Lieblingsrolle. Dort sei Tambrea ein magerer, zitternder Mörder, der aus Verzweiflung morde. So etwas habe er noch nie gesehen.

Tambrea fügte in seiner ebenso klug kompo­nierten wie warmherzigen Dankesrede seinen vielen Bühnengesichtern in Inszenierungen von Peymann, Wilson, Thalbach weitere hinzu. Schon die Anrede „Liebe Gemeinde“ holte die Lacher auf seine Seite. Wie ein Oscar-Preisträger dankte er Eltern und Schwiegereltern, Lebensgefährtin, Intendanten und Kolleg:innen dafür, dass sie es möglich gemacht hatten, jetzt seinen ersten The­aterpreis entgegenzunehmen. Der kalte Engel Ferdinand war restlos verflogen. Auf der Bühne stand ein sensibler Team-Player.

Vor fünfeinhalb Jahren, ließ er „die Gemeinde“ wissen, habe er auf dieser Bühne als Ferdinand vorgesprochen. Nun schließe sich der Kreis. Es sei sein 417. Auftritt am Berliner Ensemble. Dank Peymann habe er in großen Rollen Erfahrungen sammeln, sich entwickeln und berühmt werden dürfen. Letzteres natürlich nur suggestiv mittels einer kleinen Anekdote angedeutet: Als er auf sein Vorsprechen im Hof wartete, habe man einen „Saben Tambrô“ gesucht. Dann sprach er über die Liebe und seine Eltern, die in den 80er Jahren vor dem Kommunismus in den Westen geflohen waren. Ihr Mut sei ihm bis heute Vorbild geblieben. Schließlich fand er das schöne Bild „wir sitzen alle in einem Boot, hier am Schiffbau­erdamm“, mit dem er seine Kolleg:innen mit in die Feier einbezog. Auch die Kolleg:innen, die, wie in Dessau, von Kürzung und Abwicklung betroffen sind. „Bewahren Sie sich Ihren Theater-Virus und geben Sie ihn weiter“, forderte er die Mitglieder der TheaterGemeinde Berlin auf.

Diese nahmen Tambreas Einladung, im Kreise aller Mitarbeiter:innen der Aufführung „einen zu trin­ken“ gerne an und schlossen den sehr nahbaren Daphne-Preisträger 2013 bei den sich anschlie­ßenden Gesprächen mit und ohne Foto-Schnapp­schüssen noch mehr in ihr Herz. Boris Kehrmann