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Daphne-Preis 2010 an Lea Draeger

Lea Draeger, Ensemblemitglied der Schaubühne am Lehniner Platz, erhielt 2010 den DAPHNE-Preis der TheaterGemeinde Berlin für außergewöhnliche darstellerische Leistungen erhalten.

Die Preisverleihung fand am 13. Juni 2010 in der Schaubühne am Lehniner Platz statt, im Anschluss an die Aufführung der Inszenierung "Trust" (Regie und Choreographie: Falk Richter und Anouk van Dijk).

Lea Draeger, Jahrgang 1980, wuchs in Münster auf und studierte von 2001 bis 2005 an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. An der Schaubühne spielte sie bisher u. a. die Rolleder Natalja Iwanowna in "Drei Schwestern" (Regie: Falk Richter, 2006), Marja Grekowa in "Platonow" (Regie: Luk Perceval, 2006), Luise in "Kabale und Liebe" (Regie: Falk Richter, 2008) sowie Stella in "Endstation Sehnsucht" (Regie: Benedict Andrews, 2009). Derzeit ist sie in den Produktionen "Was! Ist das epische Theater?" (Realisation: Patrick Wengenroth) und "Trust" (Regie und Choreographie: Falk Richter und Anouk van Dijk) zu sehen. Außerdem tritt sie immer wieder in Fernseh- und Filmproduktionen auf.

Hinter dem Lächeln lauert der Abgrund

Berliner Morgenpost, 13.06.2010

Als "Nymphe mit monströsen Zügen" wird sie am heutigen Sonntag geehrt. Mal Hand aufs Herz, welche Frau möchte schon auf diese Weise charakterisiert werden? Aber Lea Draeger freut sich riesig darüber und setzt ihr unschuldigstes Lächeln auf.

Das kann sie: Die 29-Jährige ist von Beruf Schauspielerin. Die "Nymphe mit den monströsen Zügen" ist gewissermaßen ihre Hauptrolle. "Die Kehrseite vom Schönen ist meistens das Gewalttätige", sagt sie: "Wenn ich eine Figur spiele, will ich zuerst die Träume, Leidenschaften und Sehnsüchte entdecken, aber gleichzeitig auch den Schmerz und die Entbehrungen. Mich interessiert das Paradies, aber auch der Abgrund hinterm Paradies." Heute Abend steht sie wieder im Stück "Trust" auf der Bühne in der Schaubühne, gleich im Anschluss an die Vorstellung erhält Lea Draeger den Daphne-Bühnenpreis 2010 der Theater Gemeinde Berlin.

Der Preis wird seit 1976 für die besten jungen Berliner Schauspieler, Sänger oder Tänzer vergeben. Über Jahre hinweg entschied eine Jury über die Vergabe, seit sechs Jahren ist es ein reinherziger Publikumspreis. Wobei die Theater Gemeinde geheim hält, wie viele ihrer 13 000 Mitglieder sich an der Wahl beteiligen. Aber mit Blick auf die letzten Preisträgerinnen kann man eines behaupten: Die abgründigen Nymphen liegen dem Publikum besonders am Herzen. Nun wäre das auf den ersten Blick mit dem Lena-Phänomen erklärbar, wonach junge Künstlerinnen zuerst liebe Mädchen mit Kulleraugen und ein klein bisschen verrückt sein müssen. Das ist ein Traum-, eher ein Trugbild. Denn in der Hochkultur wird offenbar vom überwiegend weiblichen Publikum ein wenig mehr Authentizität verlangt - dort stehen die jungen Interpretinnen auch für die Abgründe in ihren Künsten ein. Auffälligerweise sind Sängerinnern und Tänzerinnen deutlich selbst- und zielbewusster als ihre Schauspielkolleginnen. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass sie bereits von Kleinauf mit dem Metier vertraut sind, während dessen sich Schauspielerinnen meist erst spät für ihren Beruf entscheiden. Auch Lea Draeger hat sich erst mit 20 endgültig fürs Theaterleben entschieden.
Im Ballett wäre das unmöglich. Bereits als "Baby-Ballerina" hat Polina Semionova 2004 den Daphne-Preis erhalten. Zu dem Zeitpunkt war die Moskauerin im Staatsballett wirklich die hochtalentierte Unschuld. Aber das Kennerpublikum wusste um die harte Ausbildung, die eine junge Spitzentänzerin zumal in der russischen Schule zu durchlaufen hat. Wenige Jahre später machte Semionovas Mentor Vladimir Malakhov öffentlich, dass die Schönheit des Balletts nur aus dem alltäglichen Schmerz gewonnen werden kann. Eigentlich spürte das Publikum das schon immer. Die Schauspielerin Christina Drechsler wurde im Jahr darauf geehrt. Ein unheimlich süßes Mädchen, die in Claus Peymanns Berliner Ensemble dafür prädestiniert war, Opferrollen zu übernehmen. Im Jahr 2008 gewann die Sopranistin Anna Prohaska, ein Ziehkind des Stardirigenten Daniel Barenboim, als Blonde in Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail". Bei ihr wird die darstellerische Vielseitigkeit gerühmt. Sie könne singen wie Champagner und habe zugleich den Mut zur schmutzigen Lache, hieß es damals.

Die zarte Rächerin

Lea Draeger kommt jetzt genau genommen dem Typus einer abgründigen Nymphe am nächsten: Sie ist die zarte Rächerin. In der Laudatio wird sogar von einem Lea-Draeger-Typus gesprochen. In Falk Richters Tschechow-Inszenierung "Drei Schwestern" nimmt sie als gedemütigte Natalja fürchterliche Rache an den Schwestern; ihre zynisch erpresste Luise in Schillers "Kabale und Liebe" schlägt in die kompromisslose Härte einer Ulrike Meinhof um; als Stefanie in Marius von Mayenburgs "Der Stein aus Israel" fährt sie nach Dresden, um aufzudecken, wie ein biederes deutsches Professorenehepaar an sein Haus gekommen ist.

In "Trust", einer zwischen Tanz- und Sprechtheater pendelnden Inszenierung von Falk Richter und Choreografin Anouk van Dijk, verkörpert sie das kleine Mädchen, das von seinen Eltern in einem Hotelzimmer zurückgelassen wurde. 14 Jahre wartet es vor dem Fernseher darauf, dass es abgeholt wird. Im Fernsehen sieht es Sprengungen von Gebäuden. Uns so beschließt das Mädchen, Sprengmeisterin zu werden. Aber eigentlich ist sie Bankerin, verdient sich dumm und dämlich und wird zur Bankenterroristin. "Eine krasse Sicht, eine Farbe, die Emotion auslöst", sagt Lea Draeger. Die Produktion war eine spannende Arbeit, sagt sie: "Wir hatten am Anfang nur die Idee, Beziehungen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise durchzuspielen. Es ging um den Nutzen von Beziehungen und wie viel Sehnsucht nach menschliche Nähe es überhaupt noch gibt. Denn im Moment gibt es den Trend zur Individualisierung, zum Einzelkampf in Beziehungen."

Den Weg zum Schauspiel hat sich Lea Draeger nicht einfach gemacht. Sie stammt aus einer Lehrer- und Juristenfamilie. Die ältere Schwester ist brav Richterin geworden, aber Lea Draeger ist gleich nach dem Abitur von Münster nach Berlin gekommen, um an der Humboldt-Universität Kunstgeschichte zu studieren. Sie konnte sich nicht entscheiden zwischen Kunstakademie und Schauspielschule. Schließlich studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig, kam über Weimar und Bochum nach Berlin an die Schaubühne.

Aber da ist immer auch noch die Liebe zur Bildenden Kunst. Maler sind bekanntlich Einzelgänger, Schauspieler müssen dagegen Teamworker sein. "Das ist meine Zerrissenheit", bekennt Lea Draeger, die - wie sie sagt - phasenweise noch sehr intensiv male. Insofern verblüfft es auch kaum, dass sie in Bildern und Bildtechniken denkt. Die Zweiseitigkeit des Lebens beschreibt sie etwa anhand der Fotografie: "Im Negativ ist immer auch das Positive enthalten." Sie selbst betont, felsenfest an die Ideale zu glauben, Theater beschreibe doch immer nur den Verlust und den Kampf darum. Und so gehört für sie auch das Bekenntnis dazu, dass eigentlich alle Schauspieler davon träumen, die Welt zu verändern. Darüber muss sie schließlich selber lächeln. Und keineswegs abgründig, eher unschuldig.

Daphne-Preis 2010

Berliner Morgenpost, 13.06.2010

Der Mythos

Lea Draeger ist die neue Daphne-Preisträgerin. Worüber sie sich in mehrfacher Hinsicht freut. Auch, weil sie den griechischen Daphne-Mythos "so märchenhaft schön" findet. Etwas verkürzt: Apollon verliebt sich in die Bergnymphe Daphne, stellt ihr nach, aber sie will ihn nicht. Um den Kerl nicht mehr zu erregen, lässt sie sich in einen Lorbeerbaum verwandeln. Der Lorbeer wurde Apollon heilig. Seither gibt es den Lorbeerkranz. Als Preis ein Schmuckstück, aber zweifellos auch ein abgründiger Mythos.

Der Preis

Der Daphne-Bühnenpreis wird von der Theater Gemeinde Berlin bereits seit 1976 für die besten jungen Berliner Schauspieler, Sänger oder Tänzer vergeben. Über Jahre hinweg entschied eine Jury über die Vergabe, seit sechs Jahren ist es ein reiner Publikumspreis. Der Preis besteht aus einer Bronze-Skulptur des Bildhauers Karl-Heinz Krause. Erster Preisträger war 1976 Schauspieler Heribert Sasse.

Berliner Daphne-Preis geht an Lea Draeger

Der Tagesspiegel, 14.06.2010

Die Schauspielerin Lea Draeger ist mit dem Daphne-Publikumspreis der Theatergemeinde Berlin ausgezeichnet worden. Sie erhielt den Preis am Sonntag im Anschluss an eine Aufführung von Falk Richters "Trust" an der Schaubühne, deren Ensemble sie seit vier Jahren angehört. Regisseur Richter charakterisierte die 29-Jährige als risikofreudige Akteurin, die sich ohne Angst in jede neue Rolle stürze, "so dass man manchmal Angst um sie bekommt – manchmal aber auch Angst vor ihr".