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Daphne-Preis an Anna Prohaska

Anna Prohaska, Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper Unter den Linden, hat den DAPHNE-Preis 2008 der TheaterGemeinde Berlin für außergewöhnliche sängerische und darstellerische Leistungen erhalten.

Die Preisverleihung fand am 07. September 2009 in der Staatsoper Unter den Linden statt, im Anschluss an eine Aufführung der Neuproduktion "Die Entführung aus dem Serail" (Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Regie: Michael Thalheimer).

Die junge Sopranistin Anna Prohaska, geb. 1983, wuchs in Wien auf und studierte Gesang an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. 2002 feierte sie an der Komischen Oper in Harry Kupfers Abschiedsinszenierung als Flora in Benjamin Brittens "The Turn of the Screw'" einen ihrer ersten Erfolge (Bayerischer Theaterpreis). 2006 holte sie Daniel Barenboim fest ins Ensemble der Staatsoper Unter den Linden. Zu ihren wichtigsten Rollen zählen u.a. Papagena ("Zauberflöte"), Barbarina ("Le Nozze di Figaro"), Polly ("Dreigroschenoper"), Tebaldo ("Don Carlo"), Harry ("Albert Herring) und Oscar ("Un Ballo in Maschera"). 2008 debütierte sie bei den Salzburger Festspielen und beim Cleveland Orchestra (1. Waldnymphe in "Rusalka") unter Franz Welser-Möst und sang Konzerte bei den Innsbrucker Festwochen unter René Jacobs.

Lacht schmutzig, spielt intensiv

Der Tagesspiegel, 09.09.2009

Die Sopranistin Anna Prohaska imitiert seit ihrer Kindheit Oscar-Reden, doch angesichts der Trophäe fehlten ihr dann doch die Worte.
Die 26-Jährige hat am Montagabend den Daphne-Bühnenpreis der TheaterGemeinde Berlin erhalten. Vor der Preisverleihung in der Staatsoper Unter den Linden stellte die Sängerin, die seit 2006 zum festen Ensemble des Hauses gehört, ihr Können noch einmal unter Beweis: Als Blonde in Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail" bewies sie Mut zur schmutzigen Lache und zum intensiven Spiel.
Ihr Weg als Sängerin war der in Wien geborenen Anna Prohaska genetisch vorgezeichnet: Opa Dirigent, Vater Opernregisseur, Mutter Sängerin, Bruder Sänger. Bereits vor dem Abitur begann sie ein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler. 2002 wurde sie für die Rolle der Flora in Benjamin Brittens "The Turn of the Screw" an der Komischen Oper mit dem Bayerischen Theaterpreis belohnt. An der Berliner Volksbühne und in Paris trat sie in Christoph Schlingensiefs "Satire und Gemüse" auf. Ihr Debüt bei den Berliner Philharmonikern gab sie im Februar vergangenen Jahres. In dieser Spielzeit ist die junge Frau unter anderem als Papagena in der Lindenoper zu erleben, im Februar debütiert sie dort als Poppea in Händels "Agrippina". (Juliane Primus)

Preisverleihung: Eine Stimme wie Champagner

Die Welt / Berliner Morgenpost, 07.09.2009

Dankbarkeit ist eine der schönsten Tugenden, sie verrät über den Charakter eines Menschen mehr als Treue und Hilfsbereitschaft - treu und hilfsbereit kann man aus egoistischen Gründen sein, dankbar nicht. Allein deswegen beeindruckt Anna Prohaska sogleich im Gespräch, weil sie mehrmals den Namen ihres Förderers nennt: der Dirigent Eberhard Kloke entdeckte ihr Talent und gab der jungen Sängerin kostenlosen Unterricht.
Kloke war sehr streng, duldete keine Sentimentalitäten, brachte die sich entwickelnde Stimme konsequent aber behutsam auf die Bahn. Mit fünfzehn sang Anna schon Mussorgski-Lieder. Heute, gut zehn Jahre später, kann sie als arriviert gelten. Der senkrechte Aufstieg begann 2002 an der Komischen Oper in Brittens "The turn of the screw". Seitdem wird Anna Prohaska bei jedem Auftritt gefeiert, ob es sich nun um eine schrille Blonde aus der Mozart-"Entführung" handelt (Staatsoper Unter den Linden), um Webern-Lieder (mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern) oder Luigi Nonos Revolutionsepos "Al Gran Sole" (Salzburg). Durch ein sensationelles Einspringer-Debüt als Frasquita in "Carmen" kam Anna Prohaska ins Ensemble der Staatsoper. Der Vertrag läuft noch zwei Jahre. Danach dürfte sie es nicht mehr nötig haben, sich an eine Bühne zu binden.
Das Erfolgsgeheimnis dieses Soprans ist, dass er so klingt wie Champagner schmeckt und in Verbindung mit burschikoser Schauspielkunst präsentiert wird. Der Daphne-Preis, den ihr die TheaterGemeinde Berlin heute verleiht, würdigt ausdrücklich sängerische wie darstellerische Leistungen. Würde die Biografie der gebürtigen Wienerin ohne Eberhard Kloke und die spätere Ausbildung an der Hanns-Eisler-Hochschule anders klingen? Vielleicht wäre sie Kunsthistorikerin geworden, sagt sie, oder Schriftstellerin. Was freilich angesichts ihrer Familie schwer vorstellbar ist. Sowohl Vater wie Mutter singen, der Großvater Felix Prohaska dirigierte 1945 die erste Nachkriegsinszenierung der Salzburger Festspiele. Anna Prohaskas Talent und Vielseitigkeit verdanken sich nicht zuletzt diesem Erbgut, einer "Mischung aus Wiener Großbürgertum und englischem Proletariat." Und womöglich sind darauf auch ihre recht ungewöhnlichen Ambitionen zurückzuführen.
Nur mit Mozart- und Strauss-Rollen wird diese Sängerin ihre Karriere nicht bestreiten. Sie weiß, dass jenseits des Repertoires unglaubliche Schätze versteckt sind. "Slawische Musik wird hierzulande ziemlich von oben herab behandelt. Tschaikowsky gilt vielen nur als Ballettkomponist." Am Herzen liegt ihr auch die Volksmusik, vor allem die skandinavische. "Dieses Changieren zwischen Dur und Moll berührt mich sehr. Auch die Tanzelemente in der Volksmusik sind sehr attraktiv. Man müsste sie stärker in den klassischen Musikbetrieb integrieren."
Wir zweifeln nicht daran, dass sie diese Wege findet. Hat Anna Prohaska doch auf dem auch nicht gerade gängigen Feld der Moderne hinreichend bewiesen, dass Sperriges weitaus faszinierender sein kann als das abgedroschene Kernrepertoire. Wer im Mai miterlebte, wie sie im Kammermusiksaal Wolfgang Rihms "Mnemosyne" uraufgeführt hat, wurde jedenfalls gründlich geheilt von dem Vorurteil, zeitgenössische Musik sei nicht sinnlich, kantabel, erotisch betörend.
Neben der Moderne pflegt die in Berlin lebende Sängerin besonders Barockmusik. Ihre nächste Staatsopern-Premiere ist die Poppea in Händels "Agrippina". Obwohl hier Auswendigsingen gefordert ist, fallen ihr Opernabende mitunter leichter als Auftritte im Konzert. "Es gibt eine Art motorisches Gedächtnis; jeder Schritt und jede Handbewegung sagt einem, wie die nächste Zeile lautet. Tausend Dinge lenken einen ab. Das hilft. Man macht einfach die Schnauze auf und singt." (Volker Tarnow)

Lichterloh: Ein Leben für die Kunst

Der Tagesspiegel, 17.03.2009

Anna Prohaska brennt für die Oper: Wie die 25-jährige Sopranistin zum Bühnenstar avanciert und nebenbei zum Publikumsliebling wird.
Es war ein gutes Jahr für Anna Prohaska. So gut war 2008 sogar, dass man sich schon fast wieder Sorgen machen muss. Eine kleine Aufzählung: ihr Oscar in Verdis "Maskenball" an der Staatsoper, bei dem sie den Hauptdarstellern glatt die Schau stahl; der Auftritt bei Rattles Beethoven/Webern-Zyklus in der Philharmonie; schließlich ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen in Dvoraks "Rusalka" - Erfolge, die einer 25-Jährigen schnell zu Kopf steigen können. Als müsste es immer so weitergehen, spielt sie als Nächstes Blonde in Michael Thalheimers Neuinszenierung von Mozarts "Entführung", dann vielleicht die Susanna im "Figaro" oder Händels Cleopatra. Und irgendwann natürlich auch, gewiss, Bergs "Lulu", die große Traumrolle am Horizont.
"Herausforderung" ist das Wort, das Anna Prohaska immer wieder benutzt, wenn es um ihre Zukunft geht, um Träume wie um konkrete Projekte. Sie sagt, was normalerweise nach den Moll- Tonarten von Zweifel und Scheitern klingt, gewissermaßen in strahlendem C-Dur. Mit einem begeisterten Leuchten in den Augen und einer Vorfreude in der Stimme, als gälte es, einen Schatz zu heben oder ein neues Abenteuer zu bestehen. Und als wisse sie schon, dass auch dieses Abenteuer ebenso gut ausgehen wird wie alle bisherigen. "Die Partie", sagt sie über den jungen Hirten im "Tannhäuser", sei "superheikel, weil man a cappella, ganz allein, einsetzen muss. Aber dafür kann man auch super absahnen, obwohl man nur einen kurzen Auftritt hat."
Als Nachwuchstalent im Ensemble der Staatsoper muss sie die Rollen nehmen, die ihr Bühnenerfahrung geben. Aber sie weiß auch, Effekte zu setzen. Als Modistin im "Rosenkavalier", als Knappe im "Parsifal", als Page im "Don Carlo" habe man eben keine Zeit, sich auf der Bühne erst mal einzusingen, sondern müsse auf Knopfdruck da sein - wie bei einer der extrem verknappten Liedminiaturen Anton Weberns, mit denen sie ihr Philharmoniker-Debüt im letzten April gegeben hat und deren Wirkung schon beim kleinsten Fehler zum Teufel ist.
Dass Prohaska auf der Bühne dieses unbeirrbare Vertrauen zu sich selbst ausstrahlt, ist sicher ein Grund für ihren Erfolg beim Publikum, das ihr gerade den Daphne-Preis der Berliner Theatergemeinde als Nachwuchskünstlerin des Jahres zuerkannt hat. Denn die Herzen erobert man nicht allein mit einer guten Figur, die sie zweifellos besitzt, auch nicht nur Dank eines ausgehaltenen hohen f's, sondern durch jenes Feuer, das nie so lichterloh und knisternd brennt wie in den ersten Jahren einer Bühnenlaufbahn.     So viel Zuversicht hat jemand nur, wenn Singen und das Auf-der-Bühne-Stehen für ihn nie etwas Fremdes gewesen sind. Der Großvater Dirigent, der Vater Opernregisseur, der ältere Bruder Operettentenor - wer in eine solche Familie hineingeboren wird, singt quasi von allein, sobald er den Mund aufmacht. Bald kommen die ersten Soli im Schulchor, und in Berlin, wo Familie Prohaska von Annas zwölftem Lebensjahr an residiert, wittert ein Freund der Familie, der Dirigent Eberhard Kloke, schnell das Talent im Teenagerstimmchen. "Kloke hat mich dann privat unterrichtet, umsonst, aber nur unter der Bedingung, dass ich jedes Mal gut vorbereitet zu ihm komme. Das war ein viel stärkerer Druck, als wenn ich die Stunden hätte bezahlen müssen", erzählt sie. Eine pädagogisch offenbar ausgesprochen erfolgreiche Methode: Schon mit 15 singt Anna Prohaska bei privaten Liedersoireen Zyklen von Mussorgski und hat mit 17 ihr Operndebüt.
Diese Prägungen wirken bis heute nach, vielleicht gerade weil Anna Prohaska so selbstverständlich mit und an ihnen gewachsen ist: Kloke, sagt sie, habe ihr gezeigt, dass es neben Oper auch andere Musik, Lied und vor allem Moderne, gebe, durch Kupfer wurde sie für das Regietheater gewonnen. Mit ihrer Bereitschaft, sich aktiv in Inszenierungen einzubringen, steht Prohaska zugleich für eine Sängergeneration, die die schauspielerische Leistung als integralen Bestandteil ihres Berufs begreift. Für Oscar im "Maskenball", erklärt sie, habe Regisseur Jossi Wieler die meisten ihrer Ideen akzeptiert, und für ihre Blonde in Michael Thalheimers Inszenierung der "Entführung" habe sie auch schon etwas im Sinn: "Das muss gar nicht so kammerkätzchenhaft klingen, sondern darf auch gerne mal frech hingerotzt werden." In Berlin sowieso.
Tatsächlich scheint auch Prohaskas schlanker, leuchtender Sopran, der so agil die Tonleitern rauf- und runterklettert, sich neugierig hoch in den dreigestrichenen Bereich wagt und furchtlos wieder herunterstürzt, genau diese Unbekümmertheit zu verströmen: Eine Stimme, vor der eine ganze Welt von Entdeckungen liegt, die zwar noch nicht die Farben tiefer Enttäuschung kennt, aber gerade deshalb den Zauber der Unschuld, die ungebrochene Kraft des Staunens über das Leben besitzt.
Um sich an dunklere Stimmungen heranzutasten, bleibt ihr schließlich noch das Lied, wo sich verschattetere Seelenregionen behutsam, ohne den Hochdruck der Opernbühne, erforschen lassen. Eine Aufgabe, die Prohaska jetzt unter dem Motto "Glaube und Ekstase" im Apollo- saal der Staatsoper angeht. Das Recital mit Werken von Purcell und Schubert, Webern und Barber ist übrigens nicht nur ihr erstes abendfüllendes Liederkonzert überhaupt, sondern auch ihre Prüfung für das Diplom an der Eisler-Hochschule. Eine Herausforderung, sagt sie. Und sieht dabei wie der glücklichste Mensch der Welt aus. (Jörg Königsdorf)