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Foto: Oliver Ziebe
Foto: Oliver Ziebe

Jubiläumsschau zum 200. Geburtstag von Adolph Menzel

Ausstellungstipp

Was für ein Zeitraum: 1815 bis 1905. Vom Ende Napoleons bis zur Schwellen des Ersten Weltkriegs erstreckt sich das Leben Adolph Menzels – und ist damit deckungsgleich mit einem Gutteil des „langen“ 19. Jahrhunderts. Berlin, wo Menzel ab 1830 lebte, wandelte sich in dieser Zeit von einer kleinen Residenzstadt mit ein paar Tausend Einwohnern zur Zweimillionenmetropole. Und Menzel wandelte sich auch. Vom fleißigen Kunsthandwerker, der die Steindruckerei seines Vaters weiterbetrieb, zum Staatskünstler – obwohl er nur ein einziges Gemälde im offiziellen Auftrag des Kaiserhauses malte, die „Krönung Kaiser Wilhelms I. in Königsberg“, 1861. Seine Beziehung zu Berlin war symbiotisch, er wurde zum Chronisten der Industrialisierung – allerdings nicht in Gestalt dampfender Schlote und rauchender Eisenbahnen, sondern indem er die Rückseite zeigte, das Vergessene, vom Verschwinden Bedrohte. Den Kreuzberg, noch völlig ländlich. Frierende Menschen auf dem Trottoir. Wilmersdorf bei Berlin, tatsächlich noch ein Dorf. Mit dramatischer Wolkenbildung, an holländischen Vorbildern geschult.

Das Wilmersdorf-Gemälde hängt in der Ausstellung „Ich. Menzel“ des Berliner Stadtmuseums zum 200. Geburtstag des Malers. Vor allem Objekte aus eigenen Beständen werden hier präsentiert – schon zu Lebzeiten hat Menzel vieles dem Museum vermacht: Zeichnungen, Lithographien, Briefe, Möbel. Ein barocker Holzstuhl, um 1700, ist platziert vor einer deckenhohe Fotografie des Ateliers in der Sigismundstraße – in dem eben jener Stuhl stand. Menzel nutzte ihn nicht zum Sitzen, sondern als Ablage für Bücher und Zeichnungen. Andere Bänke und Schemel bestieg der kleinwüchsige Künstler, um seiner Umgebung auf Augenhöhe begegnen zu können. Seine Körpergröße verhielt sich umgekehrt proportional zu seinem Ruhm. Historische Fotografien zeigen ein Festbankett in der Akademie der Künste zu seinen Ehren – und sein Begräbnis, das fast die Ausmaße eines Staatsaktes annahm.

Was fehlt, sind die großen Gemälde: Die Tafelrunde, das Ballsouper oder Menzels wohl berühmtestes Werk, das „Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“ (1852). Es hängt in der Alten Nationalgalerie, im Stadtmuseum muss man sich mit einer Bleistift-Reproduktion begnügen. So wird aber auch deutlich, dass Menzel viel mehr war als Maler, nämlich Grafiker und Zeichner. Und Gemälde gibt es ja auch, etwa das Porträt des Kunsthistorikers Franz Kugler, für dessen „Geschichte Friedrichs des Großen“ Menzel rund 400 Holzschnitte geliefert hatte. Was sein spezielles Verhältnis zum Kaiserhaus begründete und ihn zum wichtigsten Maler der Ära Friedrichs II. machte. Er hat unser Bild dieser Zeit geprägt – ohne sie selbst erlebt zu haben. Ungute Gefühle verursacht der Druck „Christus als Knabe im Tempel“. Das idealisierte Kind, umgeben von finsteren Juden mit Knollennasen – man meint, in eine frühe Ausgabe des „Stürmers“ zu blicken. Tatsächlich ist es der Antisemitismus einer ganzen Epoche, der einen hier anstarrt.

Udo Badelt

„Ich. Menzel“, Märkisches Museum, bis 28.3.16, Di-So 10-18 Uhr, € 5/3. Festvortrag „Fontane und Menzel“, 9.2.16, 18.30 Uhr.
Kuratorenführung „Vom Handwerk zur Kunst: Menzels Grafik“, 25.2.16, 16h