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Schinkel. Geschichte & Poesie

Ausstellungstipp

Die große Schinkel-Ausstellung am Kulturforum (nicht zu verwechseln mit der parallelen in der Alten Gemäldegalerie!) ist ein Muss für jeden Theaterfreund. Eines der gewichtigsten ihrer neun Kapitel ist seinen Arbeiten für das Theater gewidmet. Über 100 Bühnenbilder zu über 40 Stücken hat das Neuruppiner Universalgenie (1781-1841) für die Lindenoper und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zwischen 1816 und 1830 entworfen. Knapp 30 davon zeigt die Schau.

Dabei ließ er sich von Altertumskundlern, Reisenden und Historikern beraten, um die romantisch verklärten Szenerien so wahrheitsgetreu wie möglich wiederzugeben. Für die „Zauberflöte“ konsultierte er die seit Napoleons Ägypten-Feldzug 1799 entstehende Ägyptologie, für den Tempel zu Jerusalem (Poissls „Athalia“, 1817) die Forschungen Aloys Hirts, für den Atzteken-Tempel (Spontinis „Cortez“, 1818) mexikanische Reisebeschreibungen. Den Vesta-Tempel in Spontinis „Vestalin“, 1818, bildete er dem Kapitol nach, für Spontinis „Nurmahal“ (1822) studierte er indische Architektur, in der berühmten Krönungsszene der „Jungfrau von Orléans“ (1817) bildete er die Kathedrale von Reims nach, im Hintergrund des Marktplatzes für Hoffmanns „Undine“ (1816) erkennen wir Notre-Dame de Paris, „König Yngurds“ Thronsaal (1816) ist einer romanischen Kaiserpfalz nachgebildet und Kotzebues „Graf Benjowski“ (1818) entführte das Publikum in die Schneewüste von Kamtschatka. Ist man am Ende der Ausstellung angelangt, entdeckt man in Saal 9 eine Madonna mit Christuskind auf der Mondsichel nach Dürer, die das direkte Vorbild der berühmten Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ ist.

Besonders spannend für Kenner der Theatergeschichten sind Schinkels beiden Pläne für die Modernisierung des 1817 abgebrannten Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Schinkel schlug vor, die barocke Bühnenmaschinerie mit ihren hintereinander gestaffelten, durch Schlitze im Bühnenboden unterirdisch bewegbare Kulissenwagen rauszuschmeißen und durch variabel versetzbare Stellwände zu ersetzen. Dass er mit dieser revolutionären Idee nicht durchdrang, zeigen die Entwürfe für das neue, heute noch stehende Schauspielhaus am Gendarmenmarkt im Obergeschoss der Ausstellung, die immer noch Kulissenwagen, wenn auch in reduzierter Zahl vorsehen. Dennoch hat Schinkel mit dem Gretchen-Zimmer aus „Faust“ 1820 den ersten nach allen Seiten geschlossenen Raum auf die Bühne gestellt.

Atemberaubend ist auch das Idealtheater aus dem nicht ausgeführten „Entwurf zur Residenz eines Fürsten“ von 1835 im Obergeschoss. Es erinnert in seiner halbrunden Außenfassade an die viel spätere Semperoper in Dresden und besitzt bereits wie alle modernen Häuser einen gewaltigen Bühnenturm, in den man die Kulissen hochziehen kann. Auf alle Fälle sollte man sich das Vergnügen machen, die umfangreichen Kommentare auf den Entwürfen für den Umbau des Berliner Nationaltheaters von 1812/13 zu lesen. Sie erlauben tiefe Einblicke in die Spiel- und Klangästhetik jener Zeit. Außerdem orientierte Paulick sich 1955 an diesen Plänen, als er die innen total zerstörte Lindenoper frei wieder aufbaute.

Erstmals zu sehen sind zwei Beispiele der insgesamt über 40 berühmten Städtepanoramen und mechanisch bewegten Schaubilder, mit denen der junge Schinkel in Berlin Furore machte und ein beträchtliches Einkommen erwarb. bke

Schinkel. Geschichte & Poesie. Kuturforum, bis 6.1.2013, Di-Fr 10-18 Uhr, Do bis 22 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. € 12,-, mit TG-Ausweis 50 %.