Mädchen in Uniform
Ausstellungstipp„Mädchen in Uniform“ machten Christa Winsloe (1888-1944) weltbekannt. Zunächst wollte die autobiographisch gefärbte Romanze zwischen der Schülerin eines Potsdamer Offizierstöchterstifts und ihrer Erzieherin niemand spielen. Als sich 1930 in Leipzig aber Gertrud Langfelder unter dem Titel „Ritter Neréstan“ und kurz darauf in Berlin Leopoldine Sagan unter dem Titel „Gestern und Heute“ an das heiße Eisen wagten, wurde es wider Erwarten zum Sensationserfolg. Wien, Zürich, Antwerpen, Bern, Mannheim, Frankfurt, Elberfeld, München, Chemnitz, London und New York spielten es in rascher Folge nach. Schauspielerinnen wie Marianne Hoppe, Maria Wimmer, Ehmi Bessel und Theres Giehse rissen sich um die Rollen. Die Autorin erhielt körbeweise rote Rosen von Verehrerinnen aus nah und fern, die ihr dankbar waren, dass sie ihre Gefühlswelt auf die Bühne gebracht hatte. 1931 setzte Leopoldine Sagans Filmversion mit der Hauptdarstellerin der Leipziger Uraufführung den heute bekannten Titel durch. Hollywood holte Autorin und Hauptdarstellerin in die Traumfabrik. Sie erfüllten die Erwartungen aber nicht. In Tokio spielten zwei Theater das Stück gleichzeitig, weil reine Frauenensembles in einem Land, in dem Frauenrollen traditionell von Männern gespielt wurden, eine Sensation waren. 1951 verfilmte Alfredo B. Creven die „Muchachas“ in Mexiko und verlegte sie aus dem preußischen Offiziers- ins katholische Nonnen-Milieu. Heute ist vor allem die Filmversion von 1958 mit Lilli Palmer und Romy Schneider im Gedächtnis.
Lange konnte man über Christa Winsloe nur verstreute Anekdoten, Gerüchte und bruchstückhafte Erinnerungen lesen. Doris Hermanns hat sich nun die Mühe gemacht, in Archiven und Nachlässen systematisch nach Winsloes Lebensspuren zu forschen und die erste fundierte Biographie zu schreiben (Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe, Aviva-Verlag, 317 Seiten, € 19.90). Auf ihren Forschungen basiert die äußerst sehenswerte Ausstellung im Schwulen Museum. Hier erfährt man, dass die in Darmstadt geborene Offizierstochter, die bis in die 30er Jahre der Schwabinger Bohème angehörte, sich eigentlich als Tierzeichnerin und –Bildhauerin verstand. Vier ihrer Kleinskulpturen und sechs Tierzeichnungen sind im Original zu sehen – wahrhaft eindrucksvoll im einen wie im anderen Genre die puscheligen Meerschweinchen, die ihr den ironischen Titel einer „Meisterin des Meerschweinchens“ eintrugen. Ihr Erfolgsstück habe sie geschrieben, so die Künstlerin, weil sie nach all den Tieren „bloß mal sehen“ wollte, „ob ich auch richtige Menschen zustande bringe“.
Den Hauptteil der Ausstellung nehmen ganze Serien von hoch informativen Aufführungsfotos und Filmstills ein, an denen man ablesen kann, wie unterschiedlich in den frühen 1930er Jahren inszeniert wurde. Natürlich kommt auch der Romy-Schneider-Film mit vielen Fotos und Originalkostümen reichlich zu Ehren. Auch nach 1945 wurde das Stück gelegentlich gespielt, 1949 von Ruth Leuwerik in Hamburg etwa, 1973 von Rosl Zech in Bochum und 1976 von Dorothea Wieck, bereits 1931 Star des Stücks, an der Freien Volksbühne Berlin. René Polleschs Hamburger Paraphrase von 2010 ist durch Fotos und Sophie Rois’ Originalkostüm vertreten. Boris Kehrmann
Mädchen in Uniform – Christa Winsloe (1888-1944). Schwules Museum, Mehringdamm 61, bis 4.3., Mi-Mo 14-18 Uhr, Sa bis 19 Uhr, € 5,-