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"TanzPlastik"

Ausstellungstipp

Für Ballett-Fans ist die Ausstellung „TanzPlastik. Die tänzerische Bewegung in der Skulptur der Moderne“ ein Muss. Es ist die fünfte, die das Georg Kolbe Museum seit 1999 der Liebe seines Namensgebers zum Tanz widmet.
Kolbe (1877-1947) war einer der erfolgreichsten deutschen Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er blieb es auch unter den Nationalsozialisten, für deren Olympiastadion er Breker-nahe Kämpfertypen schuf. Auch ein Franco-Porträt gehört zu seinem Œuvre. Das selbstvergessene Schweben seiner „Tänzerin“ aber hat nichts von diesem Ungeist. Ihr Ankauf durch die Berliner Nationalgalerie machte Kolbe 1912 schlagartig berühmt. Sie wurde zur unendlich reproduzierten Ikone des Ausdruckstanzes. Dessen Wegbereiterinnen und Protagonistinnen (Wigman, Palucca, Impekoven u.a.) sahen ihre Bestrebungen in ihr aufs vollkommenste formuliert und propagiert. So kommt es nicht von ungefähr, dass das Kolbe-Museum anlässlich des 100-jährigen Ankaufsjubiläums um sie eine Schau mit 47 Skulpturen von Degas und Rodin bis Waldemar Grzimek sowie 28 Fotografien komponiert, die den Aufbruch des Tanzes in die Moderne zwischen 1890 und 1930 im Spiegel der Bildhauerei reflektiert.
Mit der Lebensreformbewegung des späten 19. Jahrhunderts wurde der zuvor stets streng in Mieder und Korsette eingeschnürte und verleugnete Körper befreit. An die Stelle von Folterschnitten traten Gesundheitslatschen und Reformkleider, deren Stoffmassen die pummelige Amerikanerin Loïe Fuller endlos verlängerte, um mit ihren wirbelnden Schleiertänzen Furore zu machen. Der Derwisch-Schwung der knallbunt beleuchteten Textilien ließ sie wie eine lebendige, sich ständig verändernde Blume erscheinen, deren floralen Tanz der Linien Jugendstil-Künstler auch in der Skulptur festzuhalten suchten. Das kippt schnell in Kitsch - auch in der an sich gut gemachten kleinen Skulptur Camille Claudels, deren Lehrmeister und Ausbeuter Rodin in seiner kompromisslosen Radikalität eben auch in dieser Schau wieder ein ganz anderes Kaliber ist. Rodins „Mouvements de danse“ behübschen nichts, sondern zeigen den Tanz als Folter, bei der sich der Körper die unmöglichsten Verrenkungen abquält. Auch über das lüsterne Spiel mit der Enthüllung weiblicher Reize bei Franz von Stuck, Fritz Klimsch und Rudolf Marcuse ist Rodin erhaben.
Während Georg Kolbe seine an die unbekümmerte Eleganz Isadora Duncans erinnernde „Tänzerin“ (flankiert von der gleichzeitigen „Tanzenden“, „Najade“, „Amazone“ usw.) modelliert, empfängt und fotografiert er in seinem Atelier Tamara Karsawina. Die Fotos des Stars der „Ballets russes“, die nichts weiter als eine modern-mondäne Weiterentwicklung des zaristischen Hofballetts waren, wirken dagegen ausgesprochen „ballettös“. Ihr Partner, Vaslav Nijinski aber inspirierte Kolbe zu einer Konzeption des „Tänzers“ (1913/19), der seinen Körper in ephebenhafter Schmalheit fast zum Verschwinden bringt und nur noch aus Bewegung und Ornament besteht. Folgerichtig mündet die Schau in „Wege in die Abstraktion“, unter denen besonders die Arbeiten Katharina Heises begeistern. Ein Epilog zeigt Nachkriegsarbeiten, die den Tanz nurmehr als Karikatur bourgeoiser Selbstzufriedenheit gelten lassen. bke

TanzPlastik. Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25,
bis 28.5., Di-So 10-18 Uhr, TG-Mitglieder mit Ausweis: 3,
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