Von G.I.Blues zu G.I.Disco
AusstellungstippEine der schönsten Ausstellungen ist zur Zeit im Alliiertenmuseum auf dem ehemaligen Gelände der amerikanischen Garnison gleich neben dem alten Soldaten-Kino „Outpost“ in Zehlendorf (Clayallee 135) zu sehen. Dort erzählt das DJ-Duo Daniel B.West und Karsten Grossmann unter dem Titel Von G.I.Blues zu G.I.Disco wie die Deutschen seit 1945 die amerikanische Populärkultur adoptierten. Und da sie das im Spiegel der Musik tun, kommt die auch hinreißend gestaltete Ausstellung überraschend sinnlich und kurzweilig rüber.
Im Mittelpunkt stehen über 20 längere, durchweg inhaltstreiche und anschauliche Interviews, dazu Filmausschnitte und über 30 vollständige Musikbeispiele von Glenn Miller (1939) bis Jazzanova (2012). Es beginnt mit einem Paukenschlag. Manfred Omankowky erklärt, warum er schon 1943 so versessen auf amerikanische Swing-Musik war. Deren Rhythmen hätten Freiheit verkörpert. Damit standen sie im Gegensatz zum Zwang der Nazis, deren Lebensgefühl der Marsch war. Und der Sowjets, könnte man ergänzen. Die versuchten der Verbreitung amerikanischer Lebenskultur sogar mit Wagners „Meistersingern“ und nationalistischen Parolen entgegen zu treten.
Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Reportage über den amerikanischen Soldatensender AFN (American Forces Network) in der Podbielskiallee amüsant. Obwohl der Sender natürlich heimische Musik spielte (Swing, Blues, Country), um die Moral der Truppe in Deutschland hochzuhalten, ist die Reportage von 1946 mit „Siegfrieds Rheinfahrt“ (Wagner) unterlegt. Der Sender wurde auch von Deutschen viel gehört. Sie besuchten die Clubs der G.I.s, in denen Louis Armstrong, Ella Fitzgerald und andere auftraten und deutsche Musiker amerikanische Musik spielten. So strömten amerikanische Mode, Tänze, Sport und Jugendkultur in Deutschland ein.
Eine zweite Geschmacks-Revolution brachte Mitte der 50er der Rock’n’Roll. Elvis Presley, bereits ein Star, leistete 1958-60 im hessischen Friedberg seinen Militärdienst ab. „Kraftfahrer Presley träumt von deutschen Mädchen und Opern“, lautet eine Bildunterschrift der „Quick“: „Beide möchte er gern außerdienstlich kennen lernen.“ Seinen Original-Militärparka können wir in Zehlendorf bewundern. Auch seinen legendären Hüftschwung in drei Ausschnitten aus dem Musikfilm „G.I.Blues“ (1960), in dem er seine Erlebnisse aufarbeitete. Hinreißend kitschig seine Fassung von „Muss i denn zum Städtele hinaus“.
In den 60ern prägten die überraschenden Prä-Techno-Beats der G.I.-Band „The Monks“ Musikgeschmack und Mode. Die Vietnam-Zeit wurde amerikakritisch (u.a. tatkräftiger Mitwirkung Ostberlins!), wovon ein mit echtem Blut (von Ratten) gemaltes Protest-Plakat zeugt. An den Musiker-Interviews aus dem Archiv des Britischen Soldatensenders hört man sich wieder nicht satt (Iggy Pop!). Nach der Disco-Welle, schwappten Graffitti, Rap, Breakdance, Funk, Soul, House, Hip-Hop, Jogging und Streetball über die amerikanischen Garnisonen ins Land. G.I. „Smiley“ Baldwin erklärt uns, worin das Besondere der Berliner Party-Kultur bestand. Animierender, anschaulicher, mitreißender kann man deutsch-amerikanische Kulturgeschichte nicht erzählen. Boris Kehrmann
Alliierten-Museum, Clayallee 135, bis 27. April 2014, Di-So 10-18 Uhr, Eintritt frei