Ausstellung: Martha Mödel
AusstellungstippAm 9.6.1942 gab Martha Mödl als Azucena am Stadttheater Remscheid ihr Debüt. Der General-Anzeiger teilte seinen Lesern mit, dass „die neue Vertreterin des Faches 1. Altistin“ in ihrer Heimatstadt Nürnberg als Kontoristin gearbeitet hatte, bevor ihre Stimme vom dortigen Oberspielleiter entdeckt und am Studio des Nürnberger Stadttheaters ausgebildet wurde. Und wie wirkte die „Spätentwicklerin“, die mit 30 Jahren ihr erstes Engagement antrat? „Ein hervorstechendes Merkmal war die saubere textliche Ausdeutung, die auch den uneingeweihten Hörer über den verworrenen Inhalt der Oper ins Bild setzte“, berichten die Blätter. Mödls „in allen Lagen reine Stimme atmet Kultur. Und die dramatischen Effekte wusste sie ebenso herauszustellen, wie die liebliche Melodieführung.“
Nachzulesen und anhand vieler unbekannter Fotos aus allen Perioden einer beispiellosen Karriere, die sich über 59 Jahre erstreckte, nachzuprüfen sind diese Ausführungen in einer reich bestückten Ausstellung, die zum schönsten, beglückendsten und lehrreichsten gehört, was an Theaterausstellungen seit langem in Berlin zu erleben war. Ihr Kurator und spiritus rector Helmut Vetter sah die Mödl mit 12 Jahren 1954 als Carmen an der Stuttgarter Oper. Da war es um ihn geschehen. Er lernte sie an der Seite Zarah Leanders kennen (ein Nürnberger Pastell von 1948 in der Ausstellung zeigt sie mit typischer Zarah-Leander-Frisur) und begleitete sie fortan bis zu ihrem Tod im Dezember 2001. Dafür vermachte sie ihm ihren künstlerischen Nachlass, dem die über 500 Exponate entnommen sind.
Nach einem reich dokumentierten Prolog über die schwierigen Anfänge im Kriegs- und Nachkriegsdeutschland, ist die Ausstellung in 111 Vitrinen-Wänden im Rang-Foyer der Deutschen Oper nach Rollen gegliedert. In einzelnen Kapiteln findet man übersichtlich präsentiert, was etwa ihre Fidelio-Leonore, Carmen, Isolde, Kundry, Brünnhilde, Klytämnestra oder Herodias ausmachte. Ihre zeitgenössischen Opern (Orff, Henze, Fortner, Blacher, Reimann, Yun, von Einem u.a.), Operettenfilme, Spätkarriere als „Pique Dame“-Gräfin und letzte Rolle als „Boris Godunow“-Amme im Juni 2001 an der Komischen Oper Berlin schließen sich an. Die Fotos, Programmzettel und Kostüme zu jeweils einzelnen Rollen erlauben dem Betrachter einen Gang durch die Theatergeschichte, die durchaus nicht immer linear verlief. Während man in Neapel 1955 den „Tristan“ z.B. noch konventionell mit Pappbäumen und -burgen inszenierte und Mödls Isolde einen deutschen Gretchen-Haarkranz aufsetzte, zeigte Wieland Wagner bereits einen vollkommen abstrakten „Tristan“. Auf einem hinreißenden Probenfoto himmelt Mödl wie Blanche Dubois aus „Endstation Sehnsucht“ den Macho Ramon Vinay an. Dass sie im schicken Nerz eine richtige femme fatale und Diva sein konnte, sieht man auf der Premierenfeier nach dem legendären Bayreuther „Tristan“ 1952. Dass sie für Quatsch zu haben war, auf einem Bild, wo sie gemeinsam mit Astrid Varnay Dreirad fährt. Die Besetzungszettel halten viele Entdeckungen bereit (Hilde Güden als Blumenmädchen, Mödl als Fricka) und illustrieren, wer seit den 50er Jahren alles auf internationalen Bühnen sang. Leider ist die Ausstellung nur während der Vorstellungen zu sehen. Tipp: Billigste Karte kaufen und im Foyer bleiben. Boris Kehrmann
100 Jahre Martha Mödl. Deutsche Oper, Rangfoyer, bis 4. Mai. Nur während der Vorstellungen, ab 1 Stunde vor Beginn in Verbindung mit Eintrittskarte