Ruth Freydank: Der Fall Berliner Theatermuseum
BuchtippMethodisch ist das neue Buch der renommierten Berliner Theaterhistorikerin Ruth Freydank der Versuch, die Geschichte des Berliner Theatermuseums zu erzählen. Es war nur von beschränkter Wirksamkeit, da es nur zwischen 1929 und 1944 und auch in diesem kurzen Zeitraum nur höchst beengt (ab 1937 im Berliner Schloss) und personell unvollkommen ausgestattet existierte. Im Grunde verbirgt sich hinter dem Forschungsbericht aber das flammende Plädoyer an die Politik, hier und jetzt ein repräsentatives Museum der Berliner Theatergeschichte zu gründen, das der über 300-jährigen glanzvollen Bühnentradition der Stadt gerecht wird, historische Theaterformen für ein breites Publikum lebendig machen und international ausstrahlen kann.
Dazu breitet die Autorin auf nahezu 350 reich illustrierten Seiten erzählend und beschreibend einen Riesenschatz an einschlägigen Sammlungen aus, die in Berlin noch vorhanden sind. Die Lektüre nimmt sich aus, als durchschreite man im Geiste bereits die Säle und bewundere die Exponate, die ein solches Museum zeigen könnte. Das Buch richtet sich aber nicht nur an Entscheidungsträger und interessierte Laien, sondern auch an die Theaterwissenschaft. Sie wird aufgefordert, die teilweise weit verstreuten Sammlungen einzelner Personen und Institutionen (Hof-, Staats-, Privat-, Unterhaltungs-, Marionettentheater, Künstlervermittlungen usw.) wieder zusammen zu führen, Lücken zu schließen und so deren geistiges Profil und theatergeschichtliche Bedeutung zu rekonstruieren.
Eine chronologisch erzählte Berliner Theatergeschichte will das Buch nicht sein. Die hat Freydank bereits 1988 in ihrem Standardwerk „Theater in Berlin“ vorgelegt. Der Fall Berliner Theatermuseum setzt punktuell bei den Beständen des einstigen Theatermuseums an, nimmt auch Privatsammlungen und die Archive einzelner Bühnen in den Blick, in denen deren Direktionen Partituren, Textbücher, Besetzungszettel, Bühnenbildentwürfe, Modelle, Figurinen, Aufführungsdokumentationen, bau- und verwaltungsgeschichtliche Dokumente und vieles mehr sammelten und nutzt sie zu theatergeschichtlichen Tiefenbohrungen. So wird man in Wort und Bild etwa daran erinnert, dass in den uns wohl bekannten Sälen des Deutschen Theaters nicht nur Max Reinhardt Erfolge feierte, sondern auch die großen Offenbachiaden und „Die Fledermaus“ unter der Leitung ihrer Schöpfer ihre Berliner Erstaufführungen erlebten. Mit besonderer Liebe zeichnet die Autorin die tragische Geschichte des Wallner-Theaters in der Nähe des heutigen S-Bahnhofs Jannowitzbrücke nach, an dem 1856 Dumas’ „Kameliendame“ die Zuschauer begeisterte, oder die Geschichte des 150.000 Teile umfassenden Kostümfundus der Preußischen Hof- bzw. Staatstheater (Oper und Schauspielhaus), der nach dem Krieg verramscht wurde.
In ein neues Theatermuseum gehören auch die zahllosen Kunstwerke, die das Berliner Theaterleben spiegeln. Dazu zählt das Iffland-Porträt, das Freydank 2002 im Rahmen ihrer Recherchen auffinden und mit Mitteln der TheaterGemeinde Berlin restaurieren lassen konnte (S. 233f.). Leider wurde es vor kurzem wieder ins Depot der Staatlichen Museen verbannt und ist der Öffentlichkeit somit entzogen. Boris Kehrmann
Ruth Freydank: Der Fall Berliner Theatermuseum. Bd.1, € 34,90; Bd.2, € 29.90; www.book-on-demand.de (auch im Buchhandel)