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Publikumspreis Aufführung des Jahres (2013/14) für "Die kleinen Füchse"

Die Mitglieder der TG Berlin haben die Inszenierung „Die kleinen Füchse“ der Schaubühne am Lehniner Platz zur „Aufführung des Jahres“ der Spielzeit 2013/14 gewählt. Die Preisverleihung fand am 12. März 2015 in der Schaubühne im Anschluss an die Vorstellung statt.

Das Drama „Die kleinen Füchse / The Little Foxes“ von Lillian Hellmann wurde von Thomas Ostermeier inszeniert. Es spielen Nina Hoss, Ursina Lardi, Moritz Gottwald, Jenny König, Thomas Bading u. a.

In »The Little Foxes« führt Lillian Hellman (1905–84) anhand eines familiären Kosmos modellhaft die Erosion einer Gesellschaft vor, die von den Glückversprechen des Ökonomischen getrieben wird. Hellmans scharfer analytischer Blick sorgte in den USA für zahlreiche Repressalien, insbesondere aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei. Nachdem sie auf der Seite der Internationalen Brigaden als Reporterin in den Spanischen Bürgerkrieg gezogen war, wurde ihr der Reisepass entzogen und sie unter McCarthy vor das »Komitee für antiamerikanische Umtriebe« zitiert. Dennoch behauptete sie sich als einzige weibliche Autorin gegen die von Tennessee Williams, Arthur Miller und Eugene O’Neill dominierte amerikanische Dramatik des 20. Jahrhunderts. »The Little Foxes« wurde 1939 zum größten Erfolg ihrer Laufbahn.

Die kleinen Füchse – Auch heute wird Theatergeschichte geschrieben

Festveranstaltung zur Verleihung der Auszeichnung Aufführung des Jahres an Die kleinen Füchse in der Schaubühne

Psychologisches Präzisionstheater – ja, das gibt es noch. Durchaus auch mal mit dem breiten Pinsel grotesker Übertreibung und im Wissen, dass in jeder Tragödie eine Komödie steckt (und umgekehrt). Es wurde viel gelacht in der Schaubühne am 12. März, um das Publikum gleich wieder in mucksmäuschenstille Spannung zu versetzen. Dazu eine sparsame Raumgestaltung, die konkret ist, den Blick aber nicht ab-, sondern auf das genau kalkulierte Spiel der Augen, Mienen, Gesten, Haltungen und Stellungen der Figuren im Raum lenkt: Ein offenes Haus. Im Zentrum schwarz spiegelnd der Steinway und chromblitzend die Sitzgruppe wie zwei Schalen einer Waage: Kultur und Geschäft. Die Waage aber ist nur scheinbar im Gleichgewicht. Für Familie Hubbard ist jede Art von gesellschaftlichem, familiärem, menschlichem Umgang ein Geschäftskontakt. Der Flügel steht nur da, um den Investor zu ködern und die nackte Gier der Hyänen zu bemänteln.

Das sparsame Mobiliar – auf der Drehbühne pantherhaft unmerklich kreisend: Sind wir Voyeure, Spione, die die Transaktionen der Hubbards aus dem Parkettunterholz belauern? Ist es die Hausangestellte Addie, die gerade mal fünf Sätze in zweieinhalb pausenlosen Stunden spricht und der die unauffällig allgegenwärtige Jenny König Röntgenaugen gibt, die irgendwas bedeuten müssen. Nur was? Oder ist da noch jemand, den wir nicht sehen? Oder ist das einfach eine Anspielung auf das Kameraauge und William Wylers Verfilmung der Kleinen Füchse von Lillian Hellman 1941 mit Bette Davis? Oder der leise schwankende Ast, den Familie Hubbard mit mehr oder weniger zivilisierter Miene selbst absägt, bis die Titanic untergeht?

Im Hintergrund die edel-schlichte Bauhaus-Treppe mit ihrem in elaborierter Lichtregie funkelnden Geländer: schwindelerregend hoch Gesellschafts- und Privatbereich, Aufstieg und Abstieg verbindend. Die Schiebetür zum Esszimmer suggeriert Intimität. Wer lauscht dahinter? Scharfe Lichtkegel, wandernde Reflexe, unheimliche Schatten, lastende Pausen, versteinte Gesichter selbst im gefrorenen Lächeln. Die toten Dinge scheinen zu leben, die Lebenden tot zu sein. Alles hat in dieser dichten Inszenierung Bedeutung, auch wenn die Bedeutung nicht immer eindeutig ist.

Darum haben wir Bürger ganz im Sinne Schillers Vergnügen am tragischen Gegenstand des verfaulenden, untergehende, auf Profitraten fixierten Bürgertums. Darum haben die Mitglieder der TheaterGemeinde Berlin Thomas Ostermeiers Inszenierung der „Kleinen Füchse“ nicht nur wegen ihres gleichermaßen dichten Solo- wie Ensemblespiels zur Aufführung des Jahres 2013/14 gewählt, erläuterte Vorstand Dr. Harald Engler in seiner Laudatio anlässlich der Preisverleihung in der Schaubühne. Auch der Umstand, dass der Künstlerische Leiter und sein bis hin zur Fünf-Satz-Rolle der Addie weltklassemäßig besetzte Ensemble das Spannungspotenzial einer hierzulande unbekannten amerikanischen Autorin so herauspräpariert hat, dass es uns wie Schuppen von den Augen fällt und die Aktualität eines bisher übersehenen Stückes offen zu Tage tritt, würdige dieser Preis.

Thomas Ostermeier dankte nicht nur im Namen seiner Mitarbeiter, sondern wies auch darauf hin, wie stark er und sein Dramaturg Florian Borchmeyer das Stück bearbeitet hätten, um es zum Spiegel unserer Gegenwart zu machen. Den an die Festaufführung anschließenden Empfang nutzten nicht nur die Mitglieder der TheaterGemeinde wie gewohnt, um mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Auch die Künstler und das Leitungsteam der Schaubühne ergriffen die Gelegenheit, zu erfahren, wie ihr Publikum mit dem Theater und speziell ihren Produktionen umgeht. Boris Kehrmann