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Herbert Rosendorfer, Letzte Mahlzeiten

Kunst und Rüben

Buchtipp

Herbert Rosendorfer bereitet den Untergang des Abendlandes zum Lesen und Kochen auf

Sie heißen Laußpichler und Schlotterweiß, Brotmergel und Glimmergauch, Donnerstern-Worpshauff und Nothdurfter zu Schwainsörl. Sie bevölkern eine kleine Sammlung von überwiegend alpinen Kriminalfällen, die der Bozener Jurist Herbert Rosendorfer nebst Rezepten eines befreundeten 1-Sterne-Koches, Herbert Hintner, herausgegeben hat. Allein die Namen sprechen Bände. Und warum empfehlen wir, der wir uns Kehrmann nennen, Letzte Mahlzeiten. Die Aufzeichnungen des königlich bayrischen Henkers Bartholomäus Ratzenhammer trotz vieler Druck- und Flüchtigkeitsfehler ausgerechnet in einem Musik- und Theaterfachblatt wie dem „Spielplan“ für den Weihnachtsgabentisch? 1. Weil wir uns halb tot gelacht haben. 2. Weil die Entmystifikation der Mystifikationen ein höheres Gesellschaftsspiel z.B. für den kultivierten Silvesterabend darstellt (vielleicht bei einer Henkersmahlzeit). 3. Weil viele der geschilderten Fälle durchaus in unsere Zuständigkeit fallen.

Da ist zunächst der Titelheld selbst, dessen „Verzeichnis aller Henkers-Mahlzeiten“ der Herausgeber im Münchner Gerichtsarchiv entdeckte. Ratzenhammers (1860-1930) eigentliche Berufung war das Kochen. Schon im zarten Alter stellte er sie in einer Schultheateraufführung der antiken Komödie „Caseicurus“ (Der Käsesüchtige) unter Beweis, die an die Schnitzel-Brutzel-Szene in Martin Kusejs Salzburger „Ottokar“-Inszenierung von 2005 erinnert. Seine Begabung ließ ihn nach etlichen Umwegen mit 40 Jahren seinen Beruf finden. Da er sich aufs Schweine-Abstechen verstand, stach er bei der Probehinrichtung alle Mitbewerber aus. 24 Jahre diente er dem Staat. Am liebsten waren ihm die Henkersmahlzeiten, die er con amore mit den Delinquenten aushandelte und eigenhändig zubereitete.

Jede gute Satire ist ein Zeitspiegel. Auch Richter Rosendorfer zitiert seine Zeit vor Gericht. Wie Dante seinen Höllenbewohnern hält er ihr in 17 Kurzporträts vor, was ihm an ihr nicht gefällt. Da ist der Tierimitator Walter Micklmauser, der die bunten Mäuse erfand und wegen Gefährdung des guten Geschmacks zum Tode verurteilt wird. Sie erraten, wer es ist. Der Bergfilmer Lutz Prinkler konnte es auch nach seiner Kleinkindphase nicht lassen, auf allen Vieren Berge hochzukraxeln. Schließlich brachte er die Leute auf die wahnsinnige Idee, in speziellen Trambahnen die Alpen hochzusausen, nur um auf Brettern wieder runterzusausen. Tauschen Sie drei Buchstaben aus. Die auch in Berlin viel gespielte Dramatikerin und Nobelpreisträgerin Ylfriede Hirschler wird wegen Sprachmisshandlung geköpft. Sie verbot das generische Maskulinum als Oberbegriff für Männer und Frauen und forderte die Mittelmajuskel: FeministInnen. Googeln Sie, was Hirsch auf serbisch heißt. Ihr größter Feind, ein Bozener SVP-Abgeordneter, versucht Opernhäuser in Schutt und Asche zu beten, um Obszönitäten wie „Salome“ zu verhindern. Als die braunen Exkremente aus ihm herausplatzen, erkennt die Justiz auf ansteckende Gemeingefahr. Den ausgebildeten Marktschreier Schlappenseich, der in Bayreuth „Parsifal“ als „Hasifal“ inszenierte, konnte er nicht stoppen. Die schwachsinnigen Schlager der Käs-Spatzen, die sich des Alpenmissbrauchs schuldig machen, dürften dagegen seinem Horizont entsprochen haben. Lesen und weitergeben! bke

Herbert Rosendorfer: Letzte Mahlzeiten. Folio Verlag, 135 Seiten, 19.90 EUR